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Estudiants de la Fachhochschule Düsseldorf

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Estudiants de la Fachhochschule Düsseldorf. (Seminari sobre Ernst Bloch, El principi esperança. Docent: Hans Ernst Schiller) / Studenten der Fachhochschule Düsseldorf. (Seminar über Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung. Dozent: Hans Ernst Schiller)/ Estudiantes de la Fachhochschule Düsseldorf. (Seminario sobre Ernst Bloch, El principio esperanza. Docente: Hans-Ernst Schiller.)

Al llarg dels mesos gener i febrer del 2010 els/les estudiants varen filmar els seus debats, càmera: Markus Aßmus. /Während der Monate Januar und Februar 2010 filmten die Studenten und Studentinnen ihre Debatten, Kamera: Markus Aßmus.

És l’esperança un “afecte transgressor”? L’esperança pot conduir a canvis socials?

 

Ist Hoffnung ein „überschreitender Affekt“? Zielt Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung?

 

¿Es la esperanza un “afecto transgresor”? ¿La esperanza puede conducir a cambios sociales?

 

Themen  - Temari - Temario

 

Zielt Hoffnung auf Veränderung?

  • L’esperança te com a perspectiva el canvi?
  • La esperanza tiene como meta el cambio?

Utopie: Vorahnung von zukünftig Wirklichem

  • Utopia: Endevinació d’una realitat futura
  • Utopia: Intuición de una realidad futura

 

„Leitfiguren der Grenzüberschreitung“

  • Figures modèliques de la transgressió
  • Figuras modélicas de la transgresión

„Täuschungen der Freizeit: Ertüchtigung zum Betrieb“

  • Enganys del lleure: Entrenament per a la vida laboral
  • Engaños del ocio: Entrenamiento para la vida laboral

„Ältere Formen der Freizeit, verdorben, doch nicht hoffnungslos“: Steckenpferd

  • Formes antigues del lleure, deteriorades, però no sense cap mena d’esperança: l’afició
  • Formas antiguas del ocio, deterioradas, pero no sin esperanza: la afición

Kant und die Notwendigkeit eines ethischen Dachs

  • Kant i la necessitat d’un sostre ètic
  • Kant y la necesidad de un techo ético

Über die Feuerbach-Thesen von Marx: der erkenntnistheoretische Arbeitsbegriff

  • Al voltant de les Tesis sobre Feuerbach de Marx: el concepte epistemològic del treball
  • Alrededor de las Tesis sobre Feuerbach de Marx: el concepto epistemológico del trabajo

Dunkel des gelebten Augenblicks

  • La foscor del moment viscut
  • La oscuridad del momento vivido

Erfüllung

  • L‘acompliment
  • El cumplimiento
Entrevista / Interviews / Entrevista

Debatten von Student*innen der Fachhochschule Düsseldorf in einem von Prof. Dr. Hans-Ernst Schiller geleiteten Seminar über Ernst Bloch

 

Konzeption und Leitung des Projekts: Francesc Abad

Philosophische Beratung: Claudia Kalász

Postproduktion (Bild und Ton): Adolf Alcañíz

Kamera: Markus Aßmus

Ort und Dauer des Seminars: Düsseldorf, Januar - Februar 2010

© der Diskussionsbeiträge: Teilnehmer*innen des Seminars

 

Zielt Hoffnung auf Veränderung?  #00:00:09-3#

 

S 1 (Referent): „Hoffnung ist überflüssig. Sie ist in die Zukunft gerichtet und begründet sich auf Angst. Beides lenkt von dem ab, was real ist, nämlich die schöne, hoffnungsfreie und angstfreie Gegenwart. Hoffnung ist ein Kredit, den man nicht zurückzahlen kann. Sie ist das Prinzip auf dem Sklaverei beruht. Denn nichts kann Menschen mehr davon abhalten, ihre Situation zu beherrschen, als die Hoffnung. Wer keine Hoffnung hat, duldet nicht, dass ihm die Gegenwart versaut wird.“

     Das ist eine philosophische Stellungnahme. Natürlich geht nicht immer alles ins Positive. Hier wird auch Kritik angeführt. Das ist die erste Stellungnahme. Wie seht ihr das? Könnt ihr was dazu sagen?

 

S 2: Also ich finde es halt total negativ und ich finde auch nicht, dass man Hoffnung mit Angst vergleichen kann. Und ich finde auch nicht, dass man, wenn man Hoffnung hat, nicht in der Gegenwart lebt, sondern ich finde, Hoffnung ist eher etwas Positives, nämlich, dass man in die Zukunft gerichtet ist, und insofern stimme ich mit der Meinung nicht überein.

 

S 3: Aber wenn ich mir vorstelle, das die Kirche ja auch immer Hoffnung, besonders im Mittelalter, auf das zukünftige Leben gerichtet hat, hat es sehr wohl davon abgelenkt, im Hier und Jetzt zu sein und auch konkret gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Von daher ist da schon was Wahres dran, denke ich.

 

S 4: Ja, ich sehe das auch ein bisschen zwiespältig. Ich kann wohl die Idee dahinter verstehen, obwohl ich jetzt nicht alles teile. Und zwar: Wenn es mir jetzt in der Gegenwart schlecht geht und ich nur hoffe und hoffe, dass es wieder besser wird und nicht versuche, etwas zu ändern, dann hoffe ich halt nur und verändere nichts. So ist es wohl auch gemeint, dass die Sklaverei auf der Hoffnung beruht. So habe das verstanden. Ich will das nicht so ganz unterschreiben, aber ich kann die Idee dahinter grob nachvollziehen oder auch teilen.

 

S 5: Wenn man nur hofft und nichts tut, ist das Schwachsinn, das sehe ich genauso. Aber, wenn du ganz unten am Abgrund bist, dann ist es die Hoffnung, die dich aufrecht erhält. Das geht wieder mehr in die entgegengesetzte Richtung von der Aussage, die da steht.

 

S 4: So ganz teile ich das auch nicht. Aber ich sehe den Aspekt, dass es einen vielleicht blockieren kann. Andererseits kann die Hoffnung auch wieder ein Anreiz sein, etwas zu unternehmen.

 

S1: Weitere Stellungnahmen?

 

S 6: Ich habe es so verstanden, dass Hoffnung nur dann besteht, wenn die Gegenwart etwas hat, was wir nicht wollen. Er hat ja auch geschrieben, dass es das Prinzip ist, auf dem Sklaverei beruht. Wenn wir hoffen, dann hoffen wir ja auf etwas Besseres. Das heißt, wir haben es in der Gegenwart nicht, und deswegen, so habe ich es zumindest verstanden, spricht er sich gegen Hoffnung aus, weil das bedeutet, dass in der Gegenwart Angst, zum Beispiel, da ist.

 

S 1: Ja, ganz richtig gesehen. Bloch sagt ja auch, Hoffnung ist ganz eng verbunden mit der Angst, ist quasi auch ein Angstzustand und kann bis hin zur Furcht gehen.

 

Schiller: Es ist der Gegenbegriff, weniger gegen die Angst, aber dass die Hoffnung aus Angst geboren oder ein Ausdruck der Angst ist, das kann man eigentlich nicht sagen. Ich glaube , das würde weder Bloch sagen, noch kann man das über ihn sagen, wenn man sich das richtig anguckt. Aber ich fand die Debatte jetzt schon sehr gut. Können wir nicht sagen, aufgrund Ihrer Beiträge, dass Hoffnung eben unterschiedliche Funktionen haben kann? Derjenige, der sich gegen die Hoffnung geäußert hat, sieht die Funktion der Vertröstung, nämlich dass man in der vagen Hoffnung auf eine vage Zukunft alles Mögliche erträgt, was man sonst nicht ertragen würde. Aber umgekehrt, und das war ja zum Beispiel die Äußerung von Frau Thieß, dass die Hoffnung etwas sein kann, was uns dazu bringen kann, das gerade zu veränder, was uns unerträglich ist oder was schlecht ist, wie zum Beispiel die Sklaverei.

 

S 4: Es zeichnet den Menschen außerordentlich aus, dass er ein zukunftsfähiges Wesen ist. Ein Freund hat das mal so ausgedrückt: „Da ist nun mit dem Zweiten Weltkrieg eine gewaltige Organisation betrieben worden. Stell dir mal vor, wie es wäre, diese gewaltige Energie einfach nur auf etwas Positives zu  wenden.“ Ich finde die Aussage dieses Freundes gar nicht so verkehrt, ich finde sie sogar sehr richtig. Wenn wir diese Aussage einmal aktuell etwa auf die Studentenbewegung anwenden, die Proteste, und dann sagen: Gut, wir bilden eine gemeinsame Interessengruppe: die Studenten und Studentinnen und möglicherweise auch einige Professoren und Professorinnen, etc. und bilden eine starke Gemeinschaft aus Menschen, die sich für etwas interessieren, die ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, und dieses mit ihren Kräften und ihren Möglichkeiten, die jedes einzelne Individuum mit sich bringt, nutzen, so dass nicht jeder für sich alleine kämpft, sondern in einer Gemeinschaft; in einer Gruppe, in einer großen Gruppe. Wenn jeder seine Ressourcen nutzt, dann kann man das Ziel, das man vor Augen hat – nämlich etwas zu verändern und zu verbessern, viel besser und wahrscheinlicher erreichen, als ein Einzelner. Ich glaube, das ist genau das, was er damit sagen möchte: Dass nämlich im Zweiten Weltkrieg, das ist ja historisch, ein unglaublicher Aufwand getrieben wurde, aus verschiedenster Perspektive.  Wenn man das alles, was da betrieben wurde, und diese riesige Volksbewegung (da standen natürlich auch nicht alle dahinter, aber doch eine sehr große Menge), wenn man diese Energie, diese Kraft, die daraus entstanden ist, diese Bewegung nun auf etwas Positives umleitet, zum Beispiel eine Verbesserung von Bildung, kann man da auch sehr viel erreichen. Von daher finde ich das eine sehr sinnvolle Aussage.

 

S 7: Ich finde, die Aussage an sich macht Sinn, ich kann sie nachvollziehen. Ich finde es aber verdammt schwierig, das Positive herauszukristallisieren. Ich glaube, jeder Mensch empfindet das Positive auf andere Art und Weise und möchte etwas anderes haben. Und dass eine große Gruppe sich für eine positive Sache entscheidet, ist glaube ich sehr schwer. Und das dann umzusetzen noch schwieriger.

 

S 8: „Fundierte Hoffnung bedeutet nicht, zu dulden und untätig zu sein. Hoffnung ist auch, an das Positive zu denken und an seiner Verwirklichung zu arbeiten. Gegen alle Widrigkeiten, auch gegen alle Pessimisten.“

 

S 1: Könnt ihr das so unterschreiben? Was habt ihr da für Anmerkungen?

 

S 7: Ich finde, die Aussage trifft, zumindest auf mich, ziemlich zu. Es ist meine persönliche Hoffnung, die ich habe, und es sind auch die Widrigkeiten, gegen die ich arbeite, genauso wie gegen die Pessimisten, die mir das, was ich vorhabe, madig machen wollen. Deswegen kann ich dem zustimmen

 

S 8: Es ist ja auch so ein bisschen gegen dieses passive Hoffen. Es beinhaltet ja schon, dass man etwas für die Verwirklichung seiner Hoffnung tun soll. Eine Sache ist mir noch aufgefallen, das mit der fundierten Hoffnung. Gibt es da Unterschiede zwischen fundierter Hoffnung und hoffen im oberflächlichen Sinn vielleicht?

 

S 4: Ich finde, dass (der zitierte Satz) eine typische studentische Bemerkung ist, also ich kann mir gut vorstellen, dass das ein Student gesagt hat. Das ist so dieses Herangehen und Anpacken, und es sind dann die Pessimisten die, wie vorhin, dann sagen, Hoffnung ist eigentlich zwecklos und bringt nichts, die dann eben außen vor gelassen werden. Ich finde, die Aussage ist ganz sinnvoll, weil es wirklich genau diese Ansatz hat, der denke ich, auch unerlässlich ist, nämlich vom eigentlichen Hoffen, was natürlich sinn voll ist, auch in eine Handlung zu gehen. Also auch in ein Anpacken, ein Tun, in ein Umsetzen, also in die Verwirklichung. Genau das ist ja der Punkt, der  noch dazugehört zur Hoffnung. Hoffen kann man ja ein Leben lang, aber man muss auch etwas dazutun, genauso wie der gläubige Christ ja auch versucht, sein Leben nach dem Tod - im Himmel, das glauben die ja (ich habe von so was keine Ahnung) - ...also dass der ja auch daran arbeitet, indem er betet, die Kerze anzündet usw.

 

Utopie: Vorahnung von zukünftig Wirklichem  #00:11:53-7#

 

S4: Mir kam jetzt ein Gedanke, und zwar der: Wir haben ja gerade gesagt,  Utopie heißt das, was noch keinen Ort hat, also was noch nicht da ist, was im Prinzip noch nicht greifbar ist. Aber die Begriffsbestimmung sagt ja nicht, ob es nicht irgendwann mal da sein kann, also ob es nicht irgendwann kommen kann. Wenn ich mir jetzt überlege, dass es ja mal vor etlichen Jahren Menschen gab, die die Utopie hatten, dass der Mensch mal fliegt. Das war ja auch etwas, was in dem Sinne noch keinen Ort hatte, weil es einfach noch nicht greifbar war, noch nicht so richtig vorstellbar war, weil es noch nicht da war. Und das ist ja dann aber verwirklicht worden. Da hat dieser Mensch, dieser Forscher, diese Utopie sich gewünscht. Das heißt, man kann das ja dann auch wieder mit dem Wunsch und dem Traum in Verbindung bringen. Er träumt und wünscht sich etwas herbei, was in dem Sinn eine Utopie ist.

 

„Leitfiguren der Grenzüberschreitung“ #00:13:01-5#

 

S 8: Man kann das ja gar nicht klar definieren. Man kann vielleicht sagen, das ist technisch, also ein Bild oder Musik ist technisch gut oder schlecht, aber über Schönheit oder Hässlichkeit entscheidet ja das Individuum selber.

 

Schiller: Das würde ich nicht sagen. Ich würde schon sagen, ganz nach der klassizistischen Theorie, Schönheit hat etwas mit Maß zu tun, hat etwas mit Harmonie zu tun. Das ist die klassische ästhetische Theorie. Wenn sie ein Gesicht haben und die Nase so lang ist wie bei Cyrano de Bergerac, das verletzt einfach die Proportionen, dann ist das nicht mehr schön.

 

S 3:  Hier ist eine Stelle, wo Bloch zu E. Th. Hoffmann etwas sagt. Der war ja bekannt in seiner Zeit als jemand, der auch die Abgründe des Menschen deutlich gemacht hat. Bloch sagt hier auf Seite 1188, also im dritten Band: „Und eben gegen letzteren erhob sich das neue Don Juan- Bild, vorab E. Th. A. Hoffmanns: als Ja zur Freude, als Nein zum Philistertum, auch zu allen Statuen einer erloschenen Vergangenheit.“ Er räumt dann ja auch auf mit diesem Verstaubten, Alten, was man nicht mehr gebrauchen kann. Und weiter: „Das ist das profilierteste Motiv an dieser Gestalt, und eines, das das Carpe diem sogar verbindet mit Impietas gegen den Toten (Vater, Ahnen). Ausleben des Jetzt, der stehende Strom des Glücks werden gesucht, nicht Abdankung des naturhaftesten aller Übermaße vor Herkommen, Gewohnheit, Gewordenheit und Entfremdung.“

 

„Täuschungen der Freizeit: Ertüchtigung zum Betrieb“ #00:15:14-3#

 

S 9: Während der Umbauphase der Düsseldorfer Oper war das ROM, dieses Rheinopermobil am Hafen, von Henkel gesponsert. Das stand auch überall drauf.

Das war auch größer ... Also man konnte eher denken, ach, guck mal, ein neues Ding von Henkel. Und erst dann: Ach so, Oper wird hier gemacht. Aber sie ist eben auch von denen bezahlt worden, diese Zwischenstätte. Das war dieser Eiertanz: Es gab einen Spielort und damit die Möglichkeit, dass das Programm weitergemacht wurde, aber mit der bitteren Pille, dass er privatwirtschaftlich finanziert wurde.

 

S 10: Es ist doch nicht so schlecht, Kultur als Sponsor einer größeren Masse zugänglich zu machen auch wenn der jetzt draufschreibt „Henkel“, als Sponsoring. Ich kenne viele Leistungssportler die ohne Sponsoring ihren Leistungssport gar nicht betreiben könnten. Das Beispiel FC Bayern München,oder besser noch Bad Reichenau Werkssport, oder als Industriegruppe würde ich noch eher Wolfsburg heranziehen mit VW im Hintergrund als jetzt Bayern München. Aber wenn ich sehe, wie die Leistungssportler bei Bayer Leverkusen gesponsert werden, welche Trainingsmöglichkeiten sie nutzen können, ihre Leistungen bringen und dafür einen Hungerlohn kriegen, zu den Olympischen spielen fahren, da die Goldmedaille gewinnen, vom olympischen Sportbund eine Urkunde bekommen, das ginge nicht, ohne gesponsert zu werden. Bei Kultur ist es mit der Werbung genauso.

 

„Ältere Formen der Freizeit, verdorben, doch nicht hoffnungslos“: Steckenpferd #00:16:52-9#

 

S 4: Wenn wir das Beispiel, das ich eben gebracht habe, nochmal weiterführen ... Sagen wir mal, da steht irgendwo ein großes Festival mit vielen anderen Uni-Bands an, und der Genannte möchte da natürlich mitmischen und möchte sich dort beweisen, und es gibt vielleicht ein Preisgeld und auch die Chance für einen Plattenvertrag, so dass er sich stark unter Druck setzt und unglaublich viel an Aufwand treibt, da könnte man dann schon sagen, dass die Grenze[zum Steckenpferd] erreicht ist.

 

S 11: Ich würde auch mit dem Begriff Steckenpferd - wenn ich mir überlege, wie man das im Alltag  gebrauchen kann, dann ist es vielleicht so, dass man nicht anders kann, als sich damit zu beschäftigen. Also nicht nur aus Interesse heraus, sondern auch als Pflicht - als etwas Zwanghaftes. Man sagt ja. Das ist sein Steckenpferd und meint, der kann nicht davon loslassen. Und wenn man von etwas nicht loslassen kann, hat das zwangsläufig auch einen negativen Charakter. Also, dass es nicht nur Hobby ist und Interesse und ich mache es nur, weil ich es gerade will, sondern ich muss mich auch damit beschäftigen, auch wenn ich es eigentlich gerade nicht will ... Obwohl, „wollen“ ist vielleicht falsch, man will es vielleicht auf eine zwanghafte Weise, wenn man sich so in die Dinge vernarrt. 

 

S 10: Ich finde, dass ein Steckenpferd nichts Zwanghaftes sein muss. Ein Steckenpferd ist für mich etwas, das mir leicht von der Hand geht, wozu ich einen guten Zugang habe, was mir Spaß macht, wo ich der Experte bin. Deswegen habe ich meine Steckenpferde. Wenn ich Handwerker lerne, weil die Eltern sagen, du wirst Handwerker, dann arbeite ich mein Leben lang nur um das Geld zu verdienen. Ich bin der Arbeiter, der im ersten Teil ja von Bloch auch als Arbeiter bezeichnet wird, und nicht der Nichtstuende. Ich habe mal gelernt, Beruf kommt von Berufung. Das heißt, wenn ich als Jugendlicher oder als Kind schon Steckenpferde habe, kann ich meinen Beruf dahin führen, dass aus meinem Steckenpferd mein Beruf wird. Aber Bloch schreibt auch zu dem, was Andreas gerade gesagt hat: „Bis dahin [bis die Liebhaberei einmal den richtigen Beruf selber ausmachen wird] ist vom Steckenpferd zu lernen, wie erfüllte Muße privat geträumt wird“. Sobald mein Steckenpferd zum Beruf wird, kann ich das ganz anders entwickeln. Plötzlich macht mir das gar nicht mehr so viel Spaß. Die Freiwilligkeit spielt beim Steckenpferd, finde ich, eine unheimlich große Rolle.

 

S9 : Mir ist auch noch etwas eingefallen zum Steckenpferd. Vielleicht kennt ihr das, dass Leute mit bestimmten Hobbys, gerade so Bastler und Tüftler, ihre Arbeit, etwa das Flugzeugmodell, in Arbeitsstunden beschreiben. Sie sagen wirklich: Es ist ein 250-Stunden-Arbeitsaufwand gewesen, mit so einem bestimmten ... Also, es war Einsatz, der auch bemessen wird in der Zeit, wie die Arbeit. Also er hat acht Stunden Arbeit und hat dann trotzdem abends noch sechs Stunden in dieses Flugzeug investiert. Das ist auch der gleiche Terminus, nämlich Arbeitszeit, aber mit einer anderen Wertigkeit, das war eine andere Art von Arbeit, hat einen freiwilligen Wert, wird dementsprechend auch anders gefühlt, aber es waren Arbeitsstunden. Und man ist untereinander stolz darauf.

 

Kant und die Notwendigkeit eines ethischen Dachs  #00:20:20-0#

 

S 11: Dieses ethische Dach, das muss ja ... Es geht ja um Moral, und ich musste gleich an Kant denken, der ja gesagt hat, jeder solle so handeln, dass sein Handeln allgemeingültig für jeden stehen kann. Dann könnte das funktionieren mit dem ethischen Dach. Habe ich das mit dem Kategorischen Imperativ richtig gesagt? Jeder Mensch solle so handeln dass es für jeden Menschen so sein solle, gesetzmäßig. Dieses ethische Dach, das kann ja eigentlich nur funktionieren, wenn es auch eine Gesetzmäßigkeit ist, an die die Leute sich zu halten haben. Diese freiwillige ethische Instanz, ich glaube nicht, dass die funktionieren kann. Das wird einfach nicht funktionieren. Wenn, dann muss es wieder über Gesetze gehen, die auch Bestrafung zur Folge haben, denn sonst werden sie nicht eingehalten.

 

S4: Bloch sagt auch hierzu, er gesteht sich selber ein, kommt auch noch zu den Ideologien, er sagt allerdings, egal wie wir das betrachten, da ist immer zur Hälfte Utopie mit dabei. Und er reiht sich auch selber ein als Vertreter des geistigen Gebildes. Das heißt, für ihn ist das Literarische, das Anarchische und für ihn auch das Nutzlose. Er sagt, man könne es bezeichnen als „Ideologie des Überhaupt“. Umgangssprachlich ausgedrückt würde ich ihn so verstehen, dass er zwar sagt, das sei möglicherweise die Lösung, aber es bleibt immer irgendwo Utopie. Ich persönlich glaube auch nicht, dass es auch nur annähernd so etwas geben wird. Geht Bloch bei diesem „ethischen Dach“ darauf ein, wie das funktionieren oder nicht funktionieren kann? Sie hatten ja eben das Interesse angesprochen. Man muss doch, wenn so etwas funktioniert in der Gesamtheit, das Eigeninteresse zwar nicht aufgeben, aber mit dem Interesse der Gesamtheit in Verbindung bringen, was ja das Grundproblem ist. Also meine eigenen Interessen mit den Interessen aller meiner Mitmenschen in eine Harmonie zu bringen, ist halt wahnsinnig schwierig. Und deshalb glaube ich, dass dieser freie Mensch an sich, ohne Herrschaft, nicht funktionieren kann und dass die Demokratie ja schon die nächste dementsprechende Regierungsform ist. Sie könnte es zumindest sein, wenn sie richtig funktionieren würde.

 

S 4:  Bloch sagt nicht genau, wie das darein passt, aber dass alle auf einen Nenner gebracht werden müssen, dazu hat er nichts gesagt.

 

S 9: Ja genau, mein erster Gedanke war, wer bestimmt denn das „ethische Dach“? Wer hat Einfluss, da müsste man ja eine Gesamtheit herstellen, Allgemeingültigkeit, und das wäre dann ein blochsches ethisches Dach oder ein freudsches ethisches Dach oder ein platonisches ethisches Dach.

 

Über die Feuerbach-Thesen von Marx: der erkenntnistheoretische Arbeitsbegriff #00:23:57-9#

 

S 9: Ich habe nur eine Frage zum dem Platz in der Gesellschaft, wie man sich dann selber einräumt. Zu der Frage die hier mein Kollege hatte, es fragt sich ja, ob die Wahrnehmung auch immer der Arbeitstätigkeit entsprechend ist. Ist es einfach so, dass ein Ackermann eine andere Wahrnehmung seines Platzes oder seiner Situation in der Gesellschaft hat als ein Arbeiter der deutschen Bank oder ...?

 

Schiller: Auf jeden Fall.

 

S 12: Da heißt es [anlässlich der Feuerbach-Thesen von Marx]: „Feuerbach, der Hegel so sehr wegen seiner Begriffsverdinglichung getadelt hatte, lokalisiert zwar ein Abstrakt-Genus Mensch empirisch, doch nur dergestalt, dass er es im einzelnen Individuum innewohnen lässt, gesellschaftsfrei ohne soziale Geschichte.“ Also, da wird nochmal die Geschichte herausgestellt, für Marx war die Geschichte immer wichtig. „Ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage.“ Die Frage der Philosophie, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukommt, habe ich so verstanden: Wie kann der Mensch die Wahrheit denken? Ist es dem Menschen möglich, wahre Aussagen zu machen?

 

S 3: Sie beziehen sich jetzt so auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Also Wahrheit zu verknüpfen mit ... oder Dinge zu verifizieren mit Hilfe von wissenschaftlichen menschlichen Erkenntnissen. Aber wenn wir uns mal diese ganz berühmte Lichttheorie angucken, also die Frage, ob Licht aus Wellen oder aus Teilchen besteht, dann kommen wir in Bereiche der Metaphysik – ich denke, das nennt sich Metaphysik – wo das gar nicht mehr so wirklich klar ist. Oder auch im Bereich der Chaosforschung, wo man nicht mehr sagen kann, das ist das eine oder das andere. Das Licht, zum Beispiel, kann sowohl Teilchen als auch Welle sein. Es kann im nächsten Moment Welle sein oder Teilchen, es kommt darauf an. Man hat halt noch nicht herausgefunden, wann es was ist.

 

Schiller: Vielleicht kommt es auch auf die Beobachtungsinstrumente an.

 

S 11: Das heißt ja auch nicht, dass man etwas nicht widerlegen kann. Es geht halt immer um den momentanen Standpunkt der Dinge. Man kann ja nur davon ausgehen, was im Moment Wahrheit ist.

 

S 3: Was ich eben nur sagen wollte, ist, dass wir mit unserem Bewusstsein, das ja oft unterscheidet zwischen richtig, falsch, positiv, negativ – also in diesem polaren Bewusstsein– , dass es da sehr wohl auch Bereiche geben kann, die nicht dem einen oder anderen zugeordnet werden können. Wenn man in die Quantenphysik geht – aber ich kenne mich da wirklich nicht aus, aber mich interessieren solche Sendungen im Fernsehen etwa, wo die Wissenschaftler noch vor ganz großen Rätseln stehen. 

 

S 9: Meine Frage ist, die Menschen der Antike, meinetwegen im antiken Griechenland, hatten die andere gesellschaftliche Filter? Denn die Tatsache, dass wir eine Mülltüte auf eine bestimmte Entfernung für eine Person halten, liegt ja an unseren Filtern. Autisten oder Savants, die diese Filter nicht haben, machen das ja nicht, weil sie nicht alles direkt einsortieren. Deswegen können sie ja auch nicht über die Straße gehen, weil sie nicht alles einordnen können, der Geschwindigkeit oder den Geräuschen nach. Das heißt sie nutzen diese Filter nicht. Meine Frage  ist, ob die Menschen in der Antike, wenn sie Streitwagen durch Athen fahren sahen, einfach andere Filter hatten und Sachen sich in Bezug zu ihrem Trugbild erklärten, oder sagten, ich sehe in der Ferne einen Streitwagen. Mein Filter oder mein Trugbild ist dann eine Athene. Während unser Trugbild dann erst einmal ein Mensch ist in dem Moment.

 

Dunkel des gelebten Augenblicks  #00:28:02-8#

 

S 13: „Das Jetzt ist der Ort, wo der unmittelbare Herd des Erlebens überhaupt steht, in Frage steht; so ist das gerade Gelebte selber am meisten unmittelbar, also am wenigsten bereits erlebbar. Nur wenn ein Jetzt gerade vergangen ist oder wenn und solange es erwartet wird, ist es nicht nur ge-lebt, sondern auch er-lebt . Als unmittelbar daseiend, liegt es im Dunkel des Augenblicks. Nur das gerade Heraufkommende oder das gerade Vergangene hat den Abstand, den der Strahl des Bewusstwerdens braucht, um zu bescheinen. Das Dass und Jetzt, der Augenblick, worin wir sind, wühlt in sich und empfindet sich nicht. Dementsprechend also wird der jeweilige Inhalt des gerade Gelebten nicht wahrgenommen." [S. 334 f.]

 

S 11: Ich meine, das ist ja relativ klar. Denn der Geist ist entweder immer in der Zukunft oder in der Vergangenheit. Und wie es auch bei Bloch steht, erst wenn wir etwas erlebt haben, wird es uns eigentlich bewusst. Das heißt, in dem Moment, wo wir es erleben, erleben wir es schon auf eine gewisse Art und Weise, aber das Bewusstmachen des Erlebens, also das Reflektieren, tatsächlich abzuschließen, wie man die Dinge erlebt hat, dies passiert ja letztendlich erst wieder nach dem Augenblick des Erlebens.

 

S 3: Ich weiß nicht, ob hier von dem heutigen, modernen Menschen die Rede ist. Zum Beispiel, von Urvölkern, die sicher – vielleicht wenn man nach Afrika reist – den Augenblick auch noch anders erleben können und auch ein Stück weit präsenter sind. 

 

S 11: In dem Augenblick, wo ich etwas erlebe, erlebe ich es ja wirklich in dem Moment, also wo Gefühle aufkommen oder Träume oder wie auch immer, das passiert in dem Moment. Aber das Beispiel mit dem Weihnachtsbaum schmücken: Wir können natürlich voll dabei sein, in seinem Element, und die Farben und alles ist so schön und die Kreativität sprudelt heraus. Aber man kann auch einen Weihnachtsbaum schmücken und ist gerade mit den Gedanken beim Weihnachten vom letzten Jahr oder weiß der Geier was, und dann würde man letztendlich nicht in diesem Moment sein. Man macht das zwar so, aber eigentlich ist man mit seinen Gedanken woanders. Das nette Zusammensitzen und die Emotionen, die dabei sind, das herzliche Lachen, was sich ergeben hat, das ist natürlich etwas, was immer im Augenblick passiert.

 

S 3: Da weiche ich persönlich von ab. Die Intensität, in der in vielen anderen Kulturen gelebt wird, wo der Augenblick gelebt und gefeiert wird, ich meine das könnte ich an den Gesichtern fast ablesen, dass das eine andere Intensität ist, als wir hier [Einwurf: „aber im Karneval“] erleben.

 

S 11: Ich würde das nicht verallgemeinern mit „Völkern in anderen Ländern“. Je nachdem, wie die Lebensbedingungen sind , ich glaube das kann man nicht daran festmachen. Aber ich kann gut nachvollziehen, dass es bestimmte Menschen gibt, die ein ganz anderes Bewusstsein davon haben, auch im Jetzt zu leben, und sich das vielleicht auch öfter bewusst machen, im Jetzt und im Augenblick zu leben und nicht ständig woanders zu sein. Wobei ich glaube, dass das eher Völker sind, die auf einer gewissen Ebene ein weiteres Bewusstsein haben und nicht die ganzen gesellschaftlichen Strukturen wie wir hier im Westen. Wenn man zu viele Sorgen hat, wenn man zu viel Verantwortung, zu viele Verpflichtungen, zu viel weiß nicht was hat, das nimmt uns ja den Augenblick. 

 

Erfüllung  #00:31:44-4#

 

Schiller: Das Absolute soll ja erst werden im Prozess. Das ist schwer ausdenkbar.

 

S 3: Doch nicht außerhalb der Natur. Das fand ich im dritten Buch so schön beschrieben. Nicht außerhalb der Natur, sondern innerhalb der Natur. Da kommt ja noch der Naturbegriff hinzu [Schiller: Was die Sache im Grunde noch schwieriger macht.] ... noch schwieriger macht, weil man doch denkt, die Natur müsste der Mensch doch irgendwann hinter sich lassen oder unter sich, und der Geist ist doch über der Natur.

 

S 11: Ich glaube, Bloch würde sagen, der Geist schafft sich aus der Natur. Der Geist ist die Natur. Also nicht die Natur als Baum gesehen, sondern die Natur ist das Ganze, in dem wir existieren und gemeinsam existieren. Ich habe noch eine kurze These zu der absoluten Erfüllung, und zwar denke ich, dass das zwar etwas ist, was verallgemeinert ist, aber dass das etwas ist, was jedem nur individuell passieren kann. Dass man das vielleicht in sich erkennt. Es muss ja etwas sein, ein Moment der Erkenntnis oder ein Moment der Wahrheit. Oder lass es Erleuchtung oder was auch immer sein, dass es aber etwas Individuelles ist. Und dass ich auch glaube, dass dieses ganze Göttliche, was so nach außen als etwas von uns Abgetrenntes, als höhere Macht oder so dargestellt wird, dass das letztendlich in uns drin steckt. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass so ein Moment der absoluten Erfüllung diese Erkenntnis auch ist, dass letztendlich alles in uns selber drin steckt, dass wir das wirklich in uns haben, dass wir getrübt sind in unseren Sinnen, was unsere Wahrnehmung unserer Umwelt betrifft,  sondern dass das wirklich der Moment der Entschlüsselung ist auf einer bestimmten Ebene und dass das schon etwas ist, was individuell passiert, aber trotzdem, in dem Moment, wo es individuell ist ,ein unheimlich großes Kollektivbewusstsein mit sich trägt. Wenn man diese Dinge plötzlich nicht nur auf sich bezogen mit seiner Engstirnigkeit oder seinem Horizont betrachtet, sondern diese Dinge weitläufiger betrachtet.